Bäume als Kronzeugen

 

Kronzeugen für die über Generationen andauernde Beweidung des „Borkener Paradieses“ sind die Bäume. Untersuchungen der Universität Hannover haben ergeben, dass einige der Stieleichen rund fünfhundert Jahre alt sind. An einem der beeindruckenden Baumveteranen könnte also wohl schon ein Rindvieh gefressen haben, als Columbus 1492 Amerika entdeckte und erst recht, als kurz nach 1700 in Meppen die Schulpflicht eingeführt wurde. Als Napoleons Truppen um 1800 durch das Emsland zogen, gönnten sie sich der Überlieferung nach im „Borkener Paradies“ ein Nickerchen – vielleicht ja unter demselben Baum. Und als 1918 dann Kaiser Wilhelm II. abdankte, war eben jene Eiche schon längst so in die Höhe gewachsen, dass selbst Pferde mit ihren langen Hälsen wie kleine Ponys wirkten.

 

 

Gründe für den Erhalt

 

Warum aber blieb im „Borkener Paradies“ erhalten, was andernorts ohne Überlebenschance war? Es klingt paradox, aber nach Ansicht der Forscher war es der Mangel. Denn eine intensive landwirtschaftliche Nutzung lohnte sich im „Borkener Paradies“ wohl nie, weil seine Böden sandig und nährstoffarm sind oder eben noch sehr nass. Auch liegt das „Paradies“ weit abseits der Hauptackerflächen, und die Borkener Bauern mussten stets sehr weite Wege in Kauf nehmen.

Aber die Zeiten waren hart, das Land stets knapp und der Bedarf an Weide groß. Und so nutzten die Bauern das „Paradies“ trotz aller Nachteile. Magere Sandtrockenrasen oder die etwas fetteren Wiesen mit regelmäßiger Düngung durch Hochwasser dienten als Viehweide. In unregelmäßigen Abständen wurden die für die Tiere unerreichbaren Äste und Triebe der Bäume „geschneitelt“, also kurz nach der Laubverfärbung im Herbst geschnitten, Äste und Blätter getrocknet und als Winterfutter verwendet. „Der wissenschaftliche Name der Esche, ‚Fraxinus‘, kommt vom lateinischen ‚frangere‘, also brechen“, erklärt Professor Pott. „Gemeint war eben jenes Abbrechen der Äste als Futter.“

Zur Produktion möglichst vieler Eicheln für die Schweine wurden ältere Bäume gelegentlich in einer Höhe von etwa drei Metern „gekappt“, also abgesägt. Sie bildeten dann eine breite Krone mit vielen Ästen aus, an denen stets reichlich Früchte hingen. Im „Borkener Paradies“ sind Vieheintrieb und die Produktion von Masteicheln an entsprechenden Bäumen sehr gut nachweisbar.

Die Borkener Bauern hielten lange an ihrem seit 1937 unter Naturschutz stehenden Paradies fest. Erst 1986 tauschten die letzten sieben Hudeberechtigten Bauern ihre Anteile gegen Ackerland ein. Tauschpartner war das Land Niedersachsen, das für zwei Hektar „Paradies“ einen Hektar Ackerland abtrat. Seitdem organisiert die Staatliche Moorverwaltung Weser-Ems im Auftrag des Landes Niedersachsen die Beweidung mit Rindern und Pferden.